Meine Geschichte – Intensivpflegestation
Auf dieser Station hatte ich vor allem eines und das war Angst.
- Angst davor, in den Gesichtern meiner Besucher den Schrecken und ihre eigene Angst vor meinem Anblick zu erkennen.
- Angst davor, aufgrund des Zungentransplantats nie wieder sprechen oder alleine essen zu können.
- Angst davor, mich falsch zu bewegen und etwas „kaputt“ zu machen.
- Angst an meinem ständigen Husten und Erbrechen zu ersticken.
Eigentlich hätte ich dankbar sein sollen, dass ich meine Zungenkrebs-Operation hinter mich gebracht hatte. Nur war da die Angst.

Es war einfach fürchterlich. Zum Glück hat sich meine Familie wirklich tapfer geschlagen bei den Besuchen. Ich konnte keinem meiner Lieben etwas am Gesicht ablesen. Obwohl mir meine Schwester viel später mal gestanden hat, dass sie von dem Gesamteindruck in meinem Zimmer fix und fertig war. Die vielen Maschinen und Schläuche. Ich ganz klein und hilflos in dem großen Krankenhausbett. Sie ist raus aus dem Raum und hat sich im Flur vor meinem Zimmer auf den Boden gesetzt, Füße hoch an die Wand. Sofort kamen wohl ein paar Schwestern und Ärzte zu ihr gelaufen und fragten sie, ob ihr übel ist oder ob sie ohnmächtig wird. Meine Schwester antwortete wohl „Fragen sie das doch nicht so laut, meine Schwester liegt gleich hier in dem Zimmer und sie ist nicht taub!“
Da ich immer noch starke Medikamente bekam und insgesamt viel geschlafen habe, hatte noch kein Arztgespräch stattgefunden. Ich wusste also nicht, wie die meine Operation zur Entfernung des Zungenkrebses gelaufen war.
- Wurde der Zungenkrebs vollständig entfernt?
- Gab es Komplikationen bei der Zungentransplatation?
- Welches Krebsstadium ist nun die endgültige Diagnose?
- Wie ist die ärztliche Prognose?
- Warum muss ich die ganze Zeit husten?
- Kann ich damit die Wundheilung an der Zunge stören?
Rückblickend kann ich sagen, für die behandelnden Ärzte ist vieles so klar, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, mit Dir darüber zu sprechen. Am besten wäre es eigentlich, sich schon im Vorwege eine Liste mit solchen Fragen, wie oben aufgezählt (und noch vielen mehr) zu machen. Die kann man dann vorzeigen und die Ärzte merken, dass es viele kleine Fragen gibt, die zusammen eine große Sorge ergeben. Und nehmen sich dann hoffentlich auch Zeit, darauf zu anworten.
Ich habe leider die Erfahrung gemacht, dass du nicht ernst genommen wirst, solange du nicht sprechen kannst. Auch die Kommunikation über Zettel ist nur eingeschränkt möglich. Die Ärzte stehen so unter Zeitdruck bei ihrer Visite, dass es fast unmöglich ist über geschriebenes zu kommunizieren. Erst während der Visite zu schreiben war faktisch nicht möglich. Es macht einmal mehr Sinn vorbereitet zu sein. Hier auf der Intensivpflegestation war es mir noch nicht möglich gut und leserlich zu schreiben. Aber auf der normalen Station, habe ich mich immer auf die Visite vorbereitet und eine kleine Liste mit Fragen angelegt.
Die Pfleger/innen waren alle so lieb, bemüht und aufmerksam, dass war richtig toll. Auf der Intensivpflegestation ist der Personalschlüssel auch etwas höher pro Patient, so dass mehr Pfleger/innen auf weniger Patienten kommen. Da mein Körper das Tracheostoma als Fremdkörper ansah und sich heftig dagegen wehrte, war ich eine sehr pflegeintensive Patientin. Die Trachealkanüle wurde von meinen Körper als sehr störend empfunden und ich reagierte mit Hustenanfällen darauf. Was einerseits gut war, denn dann wurde ich auch den ganzen Schleim los. Andererseits war es extrem anstrengend für mich, dass kann jeder nachempfinden, der schon mal heftigen Husten hatte. Es zehrt. Und das in meinem geschwächten Zustand nach der Zungenrandkarzinom-Operation. Jedenfalls habe ich mich ständig übergeben und mein Bett musste ständig neu bezogen werden.
Ich füge dir hier einen Link ein, damit du nachlesen kannst, was genau ein Tracheostoma ist. https://www.onmeda.de/behandlung/luftroehrenschnitt_tracheostoma.html
Diese Hilflosigkeit ist so unangenehm. Wenn man bisher in seinem Leben immer stolz darauf war, alles alleine meistern zu können. Alles perfekt organisiert. Und dann, ändert sich das um 100%. Du hast Zungenkrebs, musst ins Krankenhaus zu einer 11 Stunden OP und liegst danach wie ein Häuflein Elend im Krankenhausbett. Kannst nicht sprechen und wirst künstlich ernährt. Und zu allem Übel hast du ständigen Husten und erbrichst dich in dein Bett, da es dir nicht möglich ist dich hochzustemmen und wenigstens in ein Behältnis zu erbrechen. Ganz unten. Das habe ich mir oft in diesen Tagen gedacht.