Diagnose Zungenkrebs Teil 12

Endlich zu Hause auf der Sommerrodelbahn

Endlich nach Hause

Die Morgenvisite noch abwarten und dann endlich nach Hause. Ich war total nervös. Bis vor ein paar Tagen musste ich noch auf dem Weg von meinem Krankenhausbett zum Waschbecken im Badezimmer gestützt werden. Meine super liebe Schwester Michaela hat mich jeden Morgen gewaschen und einmal haben wir sogar zusammen das Duschexperiment gemacht. Und jetzt soll ich nach Hause? Alleine? Ohne Arzt oder Ärztin? Ohne Schwestern?

Die Autofahrt

Mein Mann kam mich abholen und war mindestens genau so aufgeregt wie ich. Er hatte Blumensträuße und Sekt für die Schwestern dabei und ich wurde sehr herzlich verabschiedet. Und dann saß ich im Auto und es kam mir so vor, als ob sich die ganze Welt verändert hätte seit ich sie das letzte mal gesehen hatte. Sogar die Autofahrt war neu, anders und aufregend. Schon deshalb, weil ich gar nicht wusste wie ich mich anschnallen sollte. Die frisch vernarbte Wunde am Bauch lag genau auf Gurthöhe. Mein linker Arm war noch nicht so gut verheilt, entsprechend bandagiert und kraftlos. Also konnte ich nicht mal den Gurt greifen. Ich musste mir von meinem Mann helfen lassen. Er tat das natürlich gerne. Für mich eine neue Situation, denn ich bin niemand der gern um Hilfe bittet. Aber daran sollte ich mich in den nächsten Wochen gewöhnen.

Die ersten Tage zu Hause

Was mich die ersten Tage echt verunsichert hat war, dass ich keine tägliche Untersuchung mehr hatte. Niemand den ich fragen konnte „ist das normal“? oder „darf das so aussehen“?. Aber auch da bin ich rein gewachsen. Ich hatte vor der OP ein gutes Körpergefühl und das habe ich auch nach der OP behalten. Also habe ich all das gemacht, was sich für mich gut und richtig angefühlt hat. Meine Eltern kamen täglich vorbei, haben die Kinder bespaßt und ich bin an der Hand meines Vaters durch unsere Siedlung geschlurft. Ehrlicherweise muss ich sagen, die ersten Tage bin ich eher nur ein paar Meter vor unserem Haus auf und ab gegangen und war danach fix und alle. Die Couch war mein Platz im Haus. Meine Mutter hat gekocht und den Rest der Familie mit Essen versorgt. Ich bin von meiner Schwester mit ihren wunderbaren Suppen versorgt worden. Sie hat die Kinder mal mit zu sich genommen um mir Ruhe zu verschaffen. Mein Mann hat mir geholfen zu duschen, die Haare zusammen zu binden und hat faktisch alles gemacht was im Haushalt anfiel. Und mir fiel immer mal wieder die Frage ein – wie soll ich mich denn nun weiter behandeln lassen? Bestrahlung? Chemo und Bestrahlung? Nur Nachsorge?

Erste Kontakte

Meine Freundinnen kamen vorbei und es flossen viele Tränen des Glücks und der Erleichterung. Ich war aufgeregt, bevor die Haustür aufging. Wie würden die Mädels auf mich und meine Narben reagieren? Wie auf meine Sprache? Alle haben ganz entspannt reagiert. Einfach nur froh mich zu sehen. So langsam lerne ich, dass ich mir nicht immer nen riesen Kopf machen sollte. Meine besten Freundinnen wohnen in Hamburg. Deshalb habe ich mich in der zweiten Woche zu Hause auch der Schwierigkeit ein Telefonat zu führen gestellt. Und was soll ich sagen? Es hat wunderbar geklappt. Denn ich konnte wirklich von Tag zu Tag besser sprechen. Und was waren wir erleichtert. Da wir ja alle nicht wussten, wie die OP laufen wird, hatten wir uns auf Monate ohne Telefonate eingestellt. Schlimmstenfalls ohne je wieder telefonieren zu können. Wusste ja niemand was passieren wird. Klar, habe ich genuschelt und bestimmte Buchstabenkombis waren sehr schwierig. Aber hey – ich konnte sprechen. Es war so schön, wieder so im Leben anzukommen.

Urlaub? Urlaub!

Und dann haben mein Mann und ich beschlossen wir fahren in den Urlaub. Vollkommen verrückt. Meine OP fiel genau in den Beginn der Sommerferien und eigentlich hatten wir 2 Wochen Italien und 1 Woche Österreich geplant. Italien hatte ich vor der OP komplett storniert. Österreich nicht. Mein Gedanke war gewesen, dass die Kinder und mein Mann da alleine gut hinfahren können um sich von dem ganzen Scheiß zu erholen. Mir ging es aber so gut, dass wir beschlossen – wir fahren da zusammen hin! Meine Ärzte wollten wissen, ob ich die Bestrahlung und Chemo machen werde. Ich habe um Aufschub gebeten und gesagt „ich will in Urlaub fahren“. Ich habe meiner Krankenkasse Bescheid gegeben (wg. Krankengeldanspruch) und letztlich haben alle zugestimmt. Also ab nach Österreich in die Berge. Mein Mann hat vom Mixer über den Pürierstab alles eingepackt was irgendwie ins Auto gepasst hat. Und los.

Einfach mal verrückt sein

Ich war wandern. Meine Wanderschuhe waren gefühlt schwerer als ich. Mittlerweile hatte ich 7 Kilo verloren. Die Kinder hatten Reitunterricht und waren glücklich. Ich bin mit dem geliehenen, zu großen Mountainbike durch den Ort gefahren. Obwohl ich erst nicht mal aufsteigen konnte und nur mit einer Hand bremsen konnte. Mein Mann hat meine Wunden versorgt, die ich nicht mal anschauen konnte. Ich bin mit der Sommerrodelbahn gefahren. Das war mein Highlight. Das Foto zeige ich euch hier. Ich habe es meiner Familie per WhatsApp geschickt und konnte den Aufschrei bis Österreich hören. Mein Mann hat mir die Haare gewaschen weil ich es mich noch immer nicht getraut habe meinen verkrusteten Arm unter Wasser zu halten. Ich bin mit meiner Familie essen gegangen ohne zu wissen, was es dort für mich zu essen geben wird. Meine Kinder haben den Blicken der Leute auf mein „Loch im Hals“ standgehalten und waren stolz auch mich. Das mich mich das alles getraut habe. Nur 3 Wochen nach der OP. Ich war stolz auf mich. Es war ein unfassbar schöner Urlaub.

Endlich zu Hause auf der Sommerrodelbahn

Aber was mache ich mit der Bestrahlungs-Chemo-Sonderfall-Frage….?

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