Die Tumorkonferenz
Immer Dienstags wurde in meinem Krankenhaus die Tumorkonferenz abgehalten. Als Erklärung für alle die in dieser Welt nicht zu Hause sind: Alle behandelnden Ärzte/innen und auch jene, die in einem passenden Fachgebiet tätig sind, kommen zusammen. Es wird über alle aktuellen Fälle gesprochen und diskutiert. Letztlich soll dabei ein Ergebnis zu Stande kommen, dass dem Patienten den weiteren Behandlungsweg aufzeigt.
So viel zur Theorie. Praktisch lief dieser Teil für mich sehr chaotisch, aufwühlend und niederschmetternd ab. Am Dienstagnachmittag wurde ich irgendwann zu einem Gespräch ins Arztzimmer gerufen. Mittlerweile war ich schon ganz gut auf den Beinen und der Weg war kein Problem mehr. Das Gespräch lief wie erwartet. Meine Ärztin klärte mich über das Ergebnis der Tumorkonferenz auf. Alle haben entschieden, dass ich mich einer 6 wöchigen Bestrahlung unterziehen soll. Damit soll das Restrisiko von nicht entfernten und unentdeckten Krebszellen noch weiter minimiert werden. „OK“ dachte ich mir. Nicht schön, aber das hatte man mir im Vorwege schon angekündigt und ich hatte mich damit angefreundet.
Nur Nachsorge?
„Oder“! klärte die Ärztin mich weiter auf – sie machen gar nichts. Sie sagte mir, ich bin ein Sonderfall. Die aktuelle Krebsleitlinie enthält keine Empfehlungen für Patientinnen wie mich. Da durch die OP der Krebs vollständig entfernt wurde, kann ich auch einfach alle 6 Wochen zur Nachsorge kommen. Das wäre nun meine Entscheidung. ÄH? What? Ich soll mich entweder verstrahlen lassen oder gar nichts unternehmen? Nicht mal eine winzige kleine weitere Behandlung? Fällt mir schwer, dass zu vereinen. Mit meinem schwirrenden Gehirn war ich dann schwupps wieder in meinem Zimmer gelegen. So hatte ich mir das Ergebnis einer Tumorkonferenz nicht vorgestellt. Irgendwie hatte ich erwartet, an die Hand genommen zu werden und durch den folgenden Prozess geführt zu werden.
Totale Verwirrung
Der nächste Vormittag sollte dem ganzen die Krone aufsetzen. Ich wurde abermals ins Arztzimmer gerufen. Nun wurde mir gesagt, es tut ihnen leid, aber sie haben die Nacht über nochmal recherchiert und ihre Meinung geändert. Sie empfehlen mir jetzt zusätzlich zur Bestrahlung eine Chemotherapie mit Cisplatin. ÄH? What? Ja, aktuelle Studien in USA haben wohl gezeigt, dass das Gewebe die Bestrahlung noch besser aufnimmt und die Wirkung unterstützt, wenn dabei Cisplatin gegeben wird. ABER – ich könnte auch nichts weiter machen als zur Nachsorge zu kommen. Denn ich sei ein Sonderfall. Normalerweise befällt Zungenkrebs rauchende, trinkende Männer mit schlechter Zahnhygiene. Gut zu wissen. Hilft mir das? Nein.
Ein Ratschlag
Am Nachmittag kam mein lustiger Arzt mit dem österreichischem Akzent in mein Zimmer. Er riet mir zur kombinierten Weiterbehandlung mit Bestrahlung und Chemotherapie. Hier fiel das erste mal der Satz: „Frau Ellis, sie müssen sich keine Sorgen um ihre Haare machen. Bei Cisplatin ist Haarausfall sehr selten“. Ich glaube er meinte es wirklich nett. Ich glaube aber auch, dass er gar nicht nachvollziehen konnte, was wirklich in mir vorging. Als ob Haare bzw. Haarausfall mein Problem wären. Die Entscheidung, die ich nun zu treffen hatte war viel schwerwiegender als Haarausfall. Lasse ich mich „nur“ bestrahlen? Lasse ich mich bestrahlen und bekomme zusätzlich noch eine Chemotherapie? Oder lasse ich gar nichts weiter machen und gehe alle 6 Wochen zur Nachsorge?

Ich gehe erstmal nach Hause
Zum Glück durfte ich nun nach Hause. Ich dachte wohl, dass sich mein Problem zu Hause in Luft auflöst… aber das tat es ganz und gar nicht. In den ersten Tagen habe ich mich zwar so über meine Kinder und Besuche von Freunden und Familie gefreut, dass die Entscheidungsfrage in den Hintergrund rückte. Aber im Grunde war sie immer da und hat mich beschäftigt. Wie lange das so ging und was ich getan habe um eine Entscheidung zu treffen, schreibe ich im nächsten Beitrag.
Alles Liebe für Euch!